Führungsperson am Whiteboard mit seinem Team.

Teil 4 der Blog-Reihe "Datenorganisation für den Mittelstand"

Datenverantwortung im Unternehmen: Wer übernimmt welche Rolle?

„Daten sind das neue Trinkwasser.“

– nur durch hohe Reinheit für uns Menschen verwertbar.
Sonst passiert der Klassiker: schlechte Daten rein, schlechte Daten raus. Damit Ihre Daten verwertbare Erkenntnisse liefern, braucht es Menschen mit den richtigen Kompetenzen und klaren Verantwortlichkeiten – Menschen, die aus Rohdaten echten Nutzen schaffen.

Nach der Entwicklung Ihrer Datenstrategie aus Teil 3 steht nun die nächste zentrale Frage im Raum:

Wer setzt diese Strategie um?
Welche Rollen brauchen Sie – und wie können Sie diese in Ihrem mittelständischen Unternehmen realistisch besetzen?

1. Das Daten-Paradox im Mittelstand

Mittelständische Unternehmen stehen vor einem Dilemma: Einerseits brauchen sie spezialisierte Datenkompetenzen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Andererseits fehlt oft die Kapazität, für jede Rolle einen Vollzeit-Spezialisten einzustellen – wie es Konzerne tun.

Die gute Nachricht: Sie müssen nicht sofort ein vollständiges Data-Science-Team aufbauen.
Erfolgreiche mittelständische Unternehmen gehen pragmatisch vor: Sie kombinieren vorhandene Kompetenzen im Unternehmen mit gezielter externer Unterstützung. Oft entstehen so Mehrfachrollen, die zu Größe und Ressourcen passen – ohne Qualitätseinbußen.

2. Die Anatomie einer datengetriebenen Organisation

Bevor wir auf Ihre individuelle Unternehmenssituation eingehen, lohnt sich ein Blick auf die Rollen, die in einer idealtypischen datengetriebenen Organisation existieren. Denken Sie dabei nicht in starren Stellenbeschreibungen – sondern in Kompetenzbereichen, die abgedeckt werden müssen.

Chief Data Officer (CDO) / Data Strategy Lead

Aufgaben:

  • Entwickelt und verantwortet die Datenstrategie
  • Verbindet Dateninitiativen mit Geschäftszielen
  • Treibt die digitale Transformation voran
  • Kommuniziert den Wert von Daten im Unternehmen


Typische Hintergründe: Betriebswirtschaft, Informatik – oft mit Führungserfahrung

Data Engineer

Aufgaben:

  • Baut und wartet die Dateninfrastruktur
  • Integriert verschiedene Datenquellen
  • Sorgt für Datenverfügbarkeit und -performance
  • Implementiert ETL/ELT-Prozesse

Typische Hintergründe: Informatik, Wirtschaftsinformatik, technische Ausbildung

Data Architect

Aufgaben:

  • Entwirft die übergeordnete Datenarchitektur
  • Definiert Datenmodelle und -standards
  • Plant Technologie-Roadmaps
  • Sorgt für Skalierbarkeit und Zukunftsfähigkeit

Typische Hintergründe: Informatik, meist mit Erfahrung in Enterprise-Architekturen

Data Analyst

Aufgaben:

  • Führt explorative Datenanalysen durch
  • Erstellt Berichte und Visualisierungen
  • Beantwortet Geschäftsfragen mit Daten
  • Identifiziert Trends und Muster

Typische Hintergründe: Betriebswirtschaft, Statistik, Mathematik – oft mit Erfahrung in Excel und Business-Intelligence-Tools

Data Scientist

Aufgaben:

  • Entwickelt prädiktive Modelle und Algorithmen
  • Führt komplexe statistische Analysen durch
  • Implementiert Machine-Learning-Lösungen
  • Experimentiert mit neuen Analysemethoden

Typische Hintergründe: Statistik, Mathematik, Physik, Informatik – häufig mit Promotion

Data Steward

Aufgaben:

  • Sorgt für Datenqualität in spezifischen Bereichen
  • Definiert und überwacht Datenstandards
  • Koordiniert Datenbereinigungen
  • AnsprechpartnerIn für fachliche Datenfragen

Typische Hintergründe: FachexpertInnen aus den jeweiligen Geschäftsbereichen


Data Protection Officer / Data Governance Manager

Aufgaben:

  • Stellt Compliance mit Datenschutzbestimmungen sicher
  • Entwickelt Governance-Richtlinien
  • Überwacht Datenzugriffe und -nutzung
  • Koordiniert mit rechtlichen und Compliance-Abteilungen

Typische Hintergründe: Jura, Compliance, IT-Sicherheit

Business Analyst

Aufgaben:

  • Übersetzt Geschäftsanforderungen in Datenanforderungen
  • Fungiert als Schnittstelle zwischen Fachbereichen und IT
  • Validiert Analyseergebnisse mit Fachabteilungen
  • Treibt die Nutzung von Datenerkenntnissen voran

Typische Hintergründe: Betriebswirtschaft – idealerweise mit tiefer Branchenkenntnis

3. Realitätscheck: Datenrollen im Mittelstand realistisch denken

Nicht jedes Unternehmen braucht ein komplettes Datenteam – aber jede Organisation braucht Klarheit über Rollen, Verantwortlichkeiten und Kompetenzen. So könnte ein skalierbares Modell aussehen:

Unternehmensgröße 20–50 Mitarbeitende: Der Data Allrounder

In kleinen Unternehmen übernimmt häufig eine Person mehrere Datenrollen.

  • Data Champion (Vollzeit oder ca. 50 % der Arbeitszeit)
  • Kombiniert Data Analysis, Data Stewardship und Business Analysis
  • Externe Unterstützung für technische Implementierungen
  • Direkte Berichtslinie zur Geschäftsführung
  • Aufbau interner Datenkompetenz Schritt für Schritt

Erfolgsbeispiel
Ein Handelsunternehmen mit 35 Mitarbeitenden beförderte den Controller zum Data & Process Manager. Nach sechs Monaten Weiterbildung analysierte er Verkaufsdaten, entwickelte Dashboards und koordinierte die Optimierung der Bestellprozesse. Externe Unterstützung gab es lediglich bei der initialen Systemintegration.

Unternehmensgröße 50–150 Mitarbeitende: Das Hybrid-Team

Mit zunehmender Unternehmensgröße wird die Struktur differenzierter – intern und extern:

  • Data Manager (Vollzeit), oft als Kombination aus Strategy Lead und Data Analyst
  • Externe Unterstützung durch Data Engineers
  • Fachbereichs-Data Stewards (ca. 20 % der Arbeitszeit)

> Mitarbeitende aus Vertrieb, Produktion oder Einkauf übernehmen Verantwortung für Datenqualität im eigenen Bereich und erhalten Schulungen in grundlegender Datenanalyse

Erfolgsbeispiel
Ein Maschinenbauunternehmen mit 120 Mitarbeitenden stellte einen Data Manager ein und bildete je einen Mitarbeitenden aus Vertrieb, Produktion und Service zu Data Stewards aus. Nach 18 Monaten konnte die Maschinenverfügbarkeit beim Kunden um 15 % gesteigert und die Servicekosten um 12 % gesenkt werden.

Unternehmensgröße 150–500 Mitarbeitende: Das spezialisierte Team

Größere Mittelständler investieren gezielt in dedizierte Datenteams:

  • Data Strategy Lead (Vollzeit)
  • Data Analyst (Vollzeit)
  • Data Engineer (Vollzeit oder extern)
  • Data Stewards in den Fachbereichen (Teilzeit)
  • Data Protection Officer (Teilzeit oder in Doppelrolle)

Erfolgsbeispiel
Ein Logistikunternehmen mit 280 Mitarbeitenden baute ein vierköpfiges Datenteam auf. Durch die Optimierung der Routenplanung konnten die Kraftstoffkosten um 18 % gesenkt und die Liefertermintreue von 87 % auf 96 % gesteigert werden.

4. Mehrfachrollen: Effizienz durch intelligente Kombination

Die Realität im Mittelstand: Für jede Datenrolle eine eigene Vollzeitstelle zu schaffen, ist oft nicht machbar. Erfolgreiche Unternehmen kombinieren deshalb Rollen dort, wo es fachlich und praktisch sinnvoll ist.

Bewährte Rollenkombinationen im Überblick

Kombination 1: Analyst–Engineer
Verantwortlichkeiten: Data Analysis + Data Engineering
Geeignet für: Technisch versierte Personen mit analytischem Verständnis
Tools: Low-Code/No-Code-Plattformen wie Power BI, Tableau, Alteryx

Kombination 2: Business–Data-Analyst
Verantwortlichkeiten: Business Analysis + Data Analysis + Data Stewardship
Geeignet für: Betriebswirte mit technischer Affinität
Tools: Excel, Power BI, SQL-Grundkenntnisse

Kombination 3: Strategy–Governance–Lead
Verantwortlichkeiten: Data Strategy + Data Governance + Change Management
Geeignet für: Erfahrene Führungskräfte mit Prozess-Know-how
Skills: Strategisches Denken, Kommunikation, Projektmanagement

5. Externe Unterstützung intelligent nutzen

Nicht alles muss intern aufgebaut werden. Gerade in der Anfangsphase oder bei komplexen Anforderungen lohnt sich der gezielte Einsatz externer Ressourcen.

Was Sie extern einkaufen sollten:

Data Engineering

  • Infrastruktur-Setup und -Migration
  • Komplexe Systemintegrationen
  • Performance-Optimierungen

Spezialisierte Data Science

  • Machine Learning Projekte
  • Statistische Modellierung
  • Algorithmus-Entwicklung

Strategische Beratung

  • Entwicklung der Datenstrategie
  • Technology Assessments
  • Best-Practice-Workshops

Was Sie intern behalten sollten:

Fachliche Datenverantwortung

  • Data Stewardship
  • Business Requirements

Dateninterpretation & Analyse

  • Operative Datenanalyse
  • Reporting und Dashboards
  • Trend-Analysen
  • Operative Optimierungen

Change Management

  • Kulturentwicklung
  • Schulungen
  • Nutzer-Support

6. Data Governance: Wer darf was mit welchen Daten?

Data Governance klingt zunächst nach Bürokratie, ist aber das Rückgrat jeder erfolgreichen Datenorganisation. Gerade im Mittelstand sollte Governance pragmatisch und schlank sein. Es geht darum, klare Zuständigkeiten zu definieren, um die Datenqualität und -sicherheit zu gewährleisten.

Ein bewährtes Modell: die RACI-Matrix. Für jeden wichtigen Datenbereich sollten Sie klären:

  • R – Responsible (Verantwortlich für die Durchführung):
    Wer pflegt die Daten täglich? Wer führt Qualitätskontrollen durch?

  • A – Accountable (Rechenschaftspflichtig):
    Wer ist letztverantwortlich für die Datenqualität und den Datenzugriff?

  • C – Consulted (Konsultiert):
    Wer sollte einbezogen werden, bevor Änderungen vorgenommen werden?

  • I – Informed (Informiert):
    Wer muss über Änderungen oder Qualitätsprobleme informiert werden?

Praktische Governance-Tools im Überblick:

  • Datenkataloge: Welche Daten gibt es? Wo liegen sie? Wer ist Ansprechpartner?

  • Zugriffsrichtlinien: Wer darf auf welche Daten zugreifen – und unter welchen Bedingungen?

  • Qualitätsstandards: Welche Mindestanforderungen gelten für Ihre Datenqualität? Wie werden diese überwacht?

7. Change Management: Den Kulturwandel gestalten

Der wichtigste Erfolgsfaktor ist nicht das Tool – sondern der Mensch. Ihre Mitarbeitenden müssen Data Thinking verinnerlichen. Das gelingt nicht über Nacht. Bewährt hat sich ein Phasenmodell:

Phase 1: Awareness schaffen (Monate 1–3)

  • Erste Daten-Erfolgsgeschichten teilen

  • „Brown Bag Sessions“ anbieten (informelle, freiwillige Kurzschulungen)

  • Führungskräfte leben Datenorientierung vor

Phase 2: Kompetenzen aufbauen (Monate 4–9)

  • Abteilungsspezifische Trainings und Schulungen

  • „Data Champions“ identifizieren und weiterbilden

  • Praxisnahe Schulungen mit echten Unternehmensdaten

Phase 3: Verstetigung & Optimierung (ab Monat 10)

  • Datenbasierte Entscheidungsprozesse etablieren

  • Regelmäßige Formate wie „Data Coffee“ Sessions

  • Erfolge messen & sichtbar machen (z. B. ROI von Datenprojekten)

8. Typische Hürden & Lösungsansätze

Auf dem Weg zur datengetriebenen Organisation stoßen viele Unternehmen auf ähnliche Herausforderungen. Wichtig ist, diese ernst zu nehmen – und pragmatische Lösungen zu finden.

Hürde: „Wir haben keine Zeit für noch mehr Tools.“
Lösung: Prozesse automatisieren, Quick Wins zeigen, Tools in bestehende Abläufe integrieren.

Hürde: „Excel reicht uns.“
Lösung: Excel als Einstieg wertschätzen, Grenzen aufzeigen, neue Tools als Erweiterung positionieren.

Hürde: „Unsere Daten sind unzuverlässig.“
Lösung: Fokus auf Datenqualität legen, erste Verbesserungen feiern, Verantwortlichkeiten klären.

Hürde: „Zu kompliziert.“
Lösung: Intuitive Tools wählen, Schritt-für-Schritt-Schulungen anbieten, mit einfachen Anwendungsfällen starten.

9. Ihre Roadmap für Datenrollen

Damit aus Ideen konkrete Umsetzungen werden, braucht es einen realistischen Fahrplan. Diese Roadmap orientiert sich an typischen Phasen im Mittelstand und bietet eine praxisnahe Orientierung:

Schritt 1: Standortbestimmung (diese Woche)

  • Welche Datenkompetenzen existieren bereits im Unternehmen?
  • Wer zeigt Interesse oder Talent für Datenthemen?
  • Welche Rollen sind besonders kritisch für Ihre Strategie?

Schritt 2: Erste Besetzung (nächste 4 Wochen)

  • Benennen Sie Ihren ersten Data Champion (intern oder extern).
  • Definieren Sie klare Verantwortlichkeiten.
  • Planen Sie erste gezielte Schulungsmaßnahmen.

Schritt 3: Governance etablieren (nächste 8 Wochen)

  • Erstellen Sie RACI-Matrizen für zentrale Datenbereiche.
  • Legen Sie Qualitätsstandards und Verantwortlichkeiten fest.
  • Etablieren Sie einfache, aber wirksame Review-Prozesse.

Schritt 4: Kulturwandel starten (fortlaufend)

  • Beginnen Sie mit Awareness-Maßnahmen – sichtbar und konkret.
  • Planen Sie niederschwellige Schulungen und Peer-Learning-Formate.
  • Kommunizieren Sie erste Erfolge regelmäßig.

Merken Sie sich: Die richtigen Menschen an den richtigen Stellen sind entscheidend.

Eine durchdachte Rollenverteilung bringt Struktur in Ihre Datenstrategie – und macht sie überhaupt erst umsetzbar. Gerade im Mittelstand gilt: Sie müssen nicht alles auf einmal schaffen. Entscheidend ist, dass Sie bewusst starten, die passenden Verantwortlichkeiten benennen und die Entwicklung gezielt begleiten.

Im nächsten Teil unserer Blog-Reihe werfen wir einen Blick auf die technische Seite:
Welche Dateninfrastruktur braucht Ihr Unternehmen wirklich? Wie treffen Sie die richtige Entscheidung zwischen Cloud, On-Premises oder hybriden Lösungen? Und wie schaffen Sie eine technische Basis, die nicht nur leistungsfähig, sondern auch skalierbar und wartbar ist?

Sie haben Fragen zur konkreten Umsetzung oder möchten Ihre Datenstrategie auf den Prüfstand stellen?

Dann nehmen Sie gern unverbindlich Kontakt zu mir auf. Ich freue mich auf den Austausch.

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